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Computerspiele

Bei Computerspielen muss man zwei Kategorien unterscheiden: Einzelplatzspiele (single-player) und Netzwerkspiele (multi-user). Die erste Variante ist die Urform des Computerspiels, die Anfang der 80er Jahre für die ersten Homecomputer (C-64, Atari XL, ZX Spectrum, Apple II, Amstrad CPC) aufkam: Sie liefen auf einem einzelnen Rechner für einen einzelnen Spieler. Daraus folgt, dass der "Gegner" des Spielers immer das Programm selbst war. Bereits Mitte der 80er war dieser Markt durch kommerzielle Anbieter gut erschlossen. Mit fallenden Preisen und steigender Verbreitung von Computern kamen Ende der 80er die ersten Spiele mit Kopf-an-Kopf-Option auf, deren Programmierung es zusätzlich ermöglichte, zwei Rechner mit einem einfachen seriellen Kabel zu verbinden und Echtzeitduelle gegen menschliche Gegner (1 Rechner pro Spieler) zu spielen1. Mit den zunehmenden Möglichkeiten von lokaler Rechnervernetzung und des sich öffnenden InterNet entwickelten sich dann Anfang der 90er parallel dazu eine ganze Reihe nicht-kommerzieller Spiele im Netz, sog. Multi User Dungeons (MUDs)2, die speziell für das Netz programmiert waren und auf unvernetzten Einzelplatzsystemen nicht lauffähig waren. Diese waren anfangs rein textbasierte Abenteuerspiele. Seit Mitte der 90er sind diese beiden Formen in einigen Spielen zusammengeführt worden3: diese verfügen zwar noch über einen Solo-Modus (in dem der Computer alle Gegner steuert), können aber per Netzwerk (lokal oder InterNet) mehrere Spieler zu einer Partie verbinden. Viele der momentan (1999) neu erscheinenden Spiele stellen eine solche Mischform dar, in einigen Varianten ist sogar die Rückentwicklung zum reinen Netzwerkspiel (d.h. ohne Solo-Modus) zu beobachten4; es bleibt aber abzuwarten, ob sich dies zu einem generellen Trend entwickeln wird5. Solange der InterNet-Zugang aber noch relativ teuer6 bleibt, ist nicht davon auszugehen - außerdem bieten Solo-Modi den Vorteil, von menschlichen Mitspielern als Gegner unabhängig zu sein.

Seit dem Aufkommen der ersten Computerspiele waren Adaptionen von Rollenspielen die prominentesten Vertreter der fantasy-Spiele in diesem Bereich. Aufgrund der Hardware-Situation mussten die ersten Programme allerdings auf Mehrspieleroptionen verzichten. So übernahm das Programm die Rolle des Spielleiters, und dem Spieler wurde teils die Steuerung mehrerer Charaktere (einer sog. party) gleichzeitig ermöglicht. Als wichtigste Beispiele wären hier die "The Bard's Tale"-Trilogie von Michael Cranford (in der sogar Tolkiens Mithril auftaucht), die "Ultima"-Reihe von Richard Garriott [beide für C-64] und "Dungeon Master" (FTL Software) [für Amiga und Atari ST] zu nennen. Während diese Programme noch keine direkten Verbindungen zu bestehenden Rollenspielsystemen hatten, kamen Anfang der 90er mit "Eye of the Beholder" (AD&D)7 und der "Nordland-Trilogie" (DSA) die ersten Spiele unter offizieller Lizenz anerkannter Distributoren auf.

Betrachten wir nun Spiele, die sich auf Tolkiens Werk gründen: Seit dem Aufkommen von Computerspielen generell wurden eine ganze Reihe "Tolkien-Spiele" veröffentlicht8, wobei die meisten kommerzielle Produkte waren. Es werden aber auch immer wieder kleinere Spiele von Fans programmiert, die unmöglich alle erfasst werden können. Bei den größeren Produkten bleibt zu sagen, dass diese fast ausschließlich Adventures9 (und keine Rollenspiele) waren und somit meist relativ eng an der Handlung der Bücher blieben (wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg). Bald aber ergab sich daraus die Notwendigkeit eigenständiger Abläufe, um nicht in laufender Wiederholung unterzugehen - und so wurden auch andere Spielprinzipien (z.B. Strategie-basiert) für Tolkien-Spiele verwendet. Auch auf diesem Sektor gab es wieder einige Parodien, so z.B. die kommerziellen Spiele "The Boggit", "Bored of the Rings" und (das inoffizielle) "Kingdom O' Magic"10, sowie einige von Fans programmierte, darunter "Hobbit - The True Story"11. Im Großen und Ganzen bremste sich die Entwicklung von Tolkien-spezifischen Spielen am Ende der 80er aber langsam selbst aus, weil die wesentlichen Werke bereits mehrfach umgesetzt worden waren und wenig Nachfrage an einer x-ten Neuprogrammierung des Hobbit oder des LotR herrschte. So verwundert es nicht, dass sich mit dem Aufkommen des InterNet Anfang der 90er das Interesse auf MUDs verlagerte, weil das Zusammenspiel vieler menschlicher Mitspieler oder Gegner zu diesem Zeitpunkt neu war: So bestand hier die Möglichkeit, nur das Setting nachzubilden und die Entwicklung der Handlung den teilnehmenden Spielern zu überlassen. Dabei wird ein MUD ähnlich einem Adventure durch Texteingabe gesteuert, allerdings interagiert man in einer solchen Umgebung natürlich mit anderen Spielern. Wie authentisch in einer solchen Umgebung die Anlehnung an ein literarisches Vorbild wie Tolkien wird, hängt damit (im Gegensatz zu single player-Spielen) in erster Linie von den Spielern, und nicht vom Programmierer, ab. Da aber MUDs in der Regel nur von Fans aufgesucht werden, kann ein solches Spiel durchaus einen hohen Grad an Authentizität gewinnen, weil die meisten Spieler ein Interesse daran haben. Vor allem die Interaktion mit lebendigen Menschen macht dabei den größten Reiz eines MUD aus, und so verwundert ihre starke Verbreitung im Netz auch wenig. Während somit der Softwaremarkt für Spiele auch Ende der 80er immer weiter wuchs, erlebten Einzelspieler-Produkte von Tolkien-Spielen trotzdem eine lange Flaute. Das für Ende 1999 angekündigte Ork-Spiel von Sierra Studios ist damit "the first commercial single-player [...] Tolkien computer game to be released since 1991"12. Dabei ist das Ineinanderfließen von Online- und Offline-Spielen aus beiden Richtungen zu beobachten: Während Spiele wie "Unreal Tournament" Nachfolger von Solospielen mit Netzwerk-Option sind13, kommen Programme wie "Middle-earth.com" (s.u.) aus der MUD-Tradition des InterNet14.

Vermutlich in Voraussicht der anstehenden Kinoverfilmung des LotR durch Peter Jackson steht momentan außer dem Solospiel "Orcs - The Revenge of the Ancients" auch ein neues InterNet-MUD zu Tolkien an: Unter der Bezeichnung "Middle-earth.com" wird der erste kommerzielle Anlauf gestartet, Mittelerde als Online-Spielewelt umzusetzen. Dabei nehmen Sierra Studios schon jetzt Reservierungen für die Spielfiguren potentieller Spieler entgegen: da jeder Name nur einmal vergeben wird, müssen Fans sich beeilen, wenn sie unter solch prominenten Titeln wie "Gandalf" oder "Frodo" auftreten wollen. Den Ankündigungen nach zu urteilen dürfte dieses Spiel sehr sorgfältig an Tolkiens Texten orientiert sein15 und die Zustimmung der Fans finden.

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1z.B. "Stunt Car Racer" von Geoff Crammond, (Micro Style 1989); "Populous" (Electronic Arts / Bullfrog 1989) [beide für Commodore Amiga].

2Heute steht MUD meist für Multi User Domain, um damit auch andere thematische Bereiche abzudecken. MUDungeon wird eher für fantasy-Thematiken benutzt. Grundsätzlich bleibt das Spielprinzip dabei aber identisch.

3So z.B. in Holland (1997).

4z.B. "Quake III Arena" von John Carmack (id Software, angekündigt für Sept.'99). PC Games 5/99, p.64.

5vgl. dazu das Interview mit Programmierer John Romero in PC Player 4/99, p.24.

6In Deutschland vor allem durch Telefonkosten: In den USA ist mit stärkerer Durchsetzung solcher reinen Netzwerkspiele zu rechnen, weil viele Telefongesellschaften dort für angefangene Ortsgespräche unabhängig von der Gesprächsdauer nur eine Verbindungspauschale erheben.

7vgl. auch Lenhard, Heinrich in: PC Player 4/99, p.132.

8Für eine Übersicht siehe http://www.lysator.liu.se/tolkien-games/ (12. Juli 1999). Alle Spiele-Dokumentierungen sind auch auf der CD-ROM (Seite ) zusammengefasst.

9Ein Adventure ist ein Soloabenteuer, das kein Charakter-, Attribut- oder Kampfsystem beinhaltet, wie es für Rollenspiele typisch ist. Üblicherweise waren Adventures anfangs ausschließlich textorientiert und wurden mit der Eingabe von einfachen Sätzen gesteuert.

10McNeill, Fergus & Child, Judith: "Bored of the Rings", [Computerspiel für C-64], Delta 4 Software 1985.

McNeill, Fergus & Child, Judith: "The Boggit", [Computerspiel für C-64], Delta 4 Software 1986.

McNeill, Fergus & andere: "Kingdom O' Magic", [Computerspiel für MS-DOS], SCi 1996.

11Ramsberg, Frederic & Berntsson, Johan: "Hobbit - The True Story", [Computerspiel für MS-DOS] Milbus Software 1993.

12http://www.lysator.liu.se/tolkien-games/entry/orcs.html (12. Juli 1999).

13"Unreal Tournament" (Epic Megagames 1999). PC Player 4/99, p.25.

14PC Games 5/99, p.22, InQuest 7/99, pp.58.

15http://www.middle-earth.com/faq/faq.html (10. Juli 1999)

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