Die folgende Vorgehensweise entspricht im Groben meinen Aufnahmen für das Schlagsaite-Album. (Verwendet wird "Cool Edit Pro" von Syntrillium Software - notfalls eine alte Sharewareversion benutzen)
Aufnahme. logisch, oder? äußerst wichtig dabei: am Anfang oder Ende ein Stück von mind. 5 Sekunden absoluter Stille mit aufnehmen. Wird später fürs Entrauschen gebraucht. Lüftergeräusche kriegst du nachträglich nur dann raus, wenn sie absolut unverändert durchlaufen! Es versteht sich von selbst, dass man derlei Hintergrundrauschen ungeachtet der späteren Entrauschung auf ein machbares Minimum reduziert, um das Endergebnis zu optimieren! Unregelmäßige Hintergrundgeräusche können nicht automatisiert entfernt werden!
Normalisieren (Transform/Amplitude/Normalize), z.B. auf 99%, und dabei zentrieren (DC Bias adjust auf 0%): extrem wichtig für spätere noise reduction!
Entrauschen: Jetzt wird's ernst: Den bei der Aufnahme leer gelassenen Abschnitt mit dem Hintergrundrauschen vergrößern und markieren. Dabei ist essentliell, alle eventuell vorhandenen Knackser oder andere Störungen vorher herauszulöschen! Für die Überprüfung dieses Bereiches brauchst du unbedingt die Spektralansicht (View/Spectral View), die du unter F4/Spectral/Resolution auf mind. 256 Bänder Auflösung einstellen solltest, damit du in der Frequenzanalyse auch was erkennen kannst. Die Darstellung der Rausch-Probe sollte so gleichförmig wie möglich aussehen. Dabei ist es egal, ob ein Brummen oder Fiepen auf einem bestimmten Frequenzgang durchläuft, solange es nur absolut konstant ist.
Den markierten Bereich müssen
wir jetzt analysieren lassen, um den "noise floor",
also das Hintergrundgeräusch (das in der ganzen Aufnahme unveränderte
durchläuft) zu erfassen. Das machst du unter "Transform/Noise
Reduction/Noise Reduction/Get Profile from Selection". Dabei
sollte "Snapshots in Profile" über 1000 liegen,
damit du einen brauchbar repräsentativen Durchschnitt bekommst. Das
akustische Profil deiner Probe wird dann im Schaufenster angezeigt.
Der "Precision Factor" sollte bei 11 liegen (auf
jeden Fall auf einer ungeraden Zahl!), und "Smoothing Amount"
(für härteste Entrauschung) auf Null.
Jetzt müssen wir das Noise Reduction-Fenster schließen, um den Bereich zu markieren, den wir bearbeiten wollen - üblicherweise die gesamte Aufnahme. WICHTIG!! Dazu musst du "Close" benutzen, NICHT "Cancel" oder das X oben rechts in der Titelzeile! Nur so bleibt das Profil, das wir eben erstellt haben, intakt für die eigentliche Entrauschung.
So, nun markierst du also die ganze Wellenform (z.B. mit Doppelklick im Editorfenster), begibst dich wieder zu "Transform/Noise Reduction/Noise Reduction/" und startest den Arbeitsvorgang einfach mit "OK". Nach Beendigung des Vorganges solltest du in der Spektralansicht an stillen Stellen keinerlei Signal erkennen können (schwarzer Hintergrund).
Damit wäre die Basisprozedur beendet. Es folgen nun - je nach Bedarf - ggf. noch folgende Arbeitsschritte:
Manuelles
Entfernen von Knacksern (z.B. durch Elektrostatik) im Signal:
Hochfrequente Knackser erscheinen in der Spektraldarstellung als helle,
schmale, senkrechte Streifen. Um diese brauchbar erkennen und markieren
zu können, solltest du ein Zeitfenster von ca. 10 Sekunden der Wellenform
im Zoom betrachten (Weiterschalten zum nächsten Abschnitt z.B. mit
"Bild runter"-Taste).
Ist ein Knackser gefunden, markierst du ihn möglichst knapp und gehst auf
""Transform/Noise Reduction/Click-Pop Eliminator/Fill single
Click now". Und so fräst du dann in penibler Handarbeit die ganze
Aufnahme durch.
Ich hatte besonders durch elektrische Einstreuungen in die Signalleitung
immer wieder solche Knackser in den Wellenformen, z.B. wenn ein elektrisches
Gerät geschaltet wurde [Licht, Kühlschrank etc.]. Allerdings dürften die
Hauptschuldigen an dieser Empfindlichkeit meine Trenntransformatoren gewesen
sein, die ich zur Vermeidung von Brummschleifen in den Signalweg einschalten
musste. Ohne Trenntrafos dürfte sich die Anfälligkeit verringern.
Vorkompression:
Besonders über Piezo-Pickups abgenommene Gitarren haben oft sehr hässliche
Dynamikspitzen beim Anschlag eines Akkords, welche locker die 5fache Lautstärke
der eigentlichen Grundlautstärke erreichen können (Bitte
Wellenformdarstellung [Waveform View] benutzen!). Benutzt man solche
Aufnahmen ohne weitere Bearbeitung für die Endabmischung, wird man immer
wieder Probleme mit der geringen Lautstärke der Gitarrenspur bekommen - darüber
hinaus verplempert man mit den Anschlagsspitzen wertvolle Dynamik in der
Gesamtlautstärke. Fazit: die Dinger müssen erstmal gebügelt werden, bevor
die Klampfe in den Mixdown geht.
Das kann man natürlich einerseits mit einem Insert-Kompressor innerhalb von Cubase
bei der Abmischung vornehmen. Da Inserts aber viel Prozessorpower
schlucken (weil sie - im Gegensatz zu globalen Effekten wie Hall oder Chorus
- für jede Spur einzeln berechnet werden müssen) und die Dynamikspitzen in
der Originalaufnahme sowieso nie wieder gebraucht werden, kann man sie
genauso gut vorher rausnehmen und dann mit einer Gitarrenspur arbeiten, die
sich von der Dynamik her ähnlich ausgeglichen verhält wie z.B. eine
Keyboardspur (die Samples synthetischer Klangerzeuger sind nämlich fast
alle vorkomprimiert!).
Das machst du unter Cool Edit mit "Transform/Amplitude/Dynamics
Processing". Mit "Flat" (links unten) bekommst
du erstmal eine neutrale Charakteristik eingestellt, welche die Aufnahme
nicht verändern würde - in der grafischen Darstellung ist das eine gerade
Linie von links unten nach rechts oben. Dieser Linie verpasst du rechts oben
einen Knick nach unten, sodass sie sich dort an die Waagerechte annähert.
Das bedeutet, dass im unteren (leiseren) Bereich bis zum Knick (dort ist
unser eigentliches Nutzsignal) die Dynamik unverändert bleibt. Oberhalb des
Knicks wird die Dynamik komprimiert, so dass die extremen Anschlagsspitzen
zusammengestaucht werden und das Nutzsignal nicht mehr turmhoch überragen.
Um das zu erreichen, setzt du auf der bestehenden 45°-Linie mit der
Maus einen weiteren Wegpunkt und ziehst den rechten oberen Wegpunkt nach
unten, bis du einen Knick in der Dynamiklinie hast.
De-Essing:
Speziell bei Gesangsausnahmen, die dicht am Mikrofon gemacht werden, kommt
es oft zu unschöner Überbetonung der Zischlaute (s,ß,sch), die den natürlichen
Hörgewohnheiten entgegenläuft. Diese sind in der Wellenformansicht oft
auch deutlich als Lautstärkespitzen zu erkennen, die dich Gesamtdynamik
kosten. Ein Grund mehr, diese Dynamikschinder etwas plattzuklopfen.
Diesem Problem kommt man mit einem sogenannten "De-Esser"
bei, der nicht anderes ist als ein frequenzbandgesteuerter Kompressor. Der
bearbeitet nur den Bereich zwischen 4 und 12 kHz, in dem bei menschlicher
Sprache ausschließlich diese Zischlaute liegen. Alle anderen Laute
menschlicher Stimme werden zumeist im Kehlkopf erzeugt und erreichen kaum
die 1000Hz-Grenze.
In Cool Edit ist diese Funktion deshalb bei den Kompressoren zu finden
("Transform/Amplitude/Dynamics Processing"). Unter den
Presets findest du hier mehrere De-Esser, die du nach Belieben verändern
kannst, um sie deinen Bedürnissen anzupassen. In der ganz rechten
Registrierkarte "Band Limiting" wird der zu bearbeitende
Frequenzbereich eingestellt.
Equalization:
In diesem Bereich würde ich nur herumfingern, wenn deutliche und unschöne
Beulen im Frequenzgang vorliegen (z.B. bei akustisch aufgenommener
Percussion). Equalizer verbrauchen nur wenig Prozessorzeit und können am
besten in der Abmischung eingestellt werden.
Denke immer daran, dass du "normalisierte" Aufnahmespuren
erhalten solltest, also ohne Störgeräusche und verfälschende
Verfremdungen. Für gezielte Verfremdungen ist das Mischpult da!
So, ich hoffe, ich habe nichts vergessen, aber das Essentielle sollte dabei sein. Am wichtigsten für die Signalqualität ist meiner Erfahrung nach die Entrauschung, da bei billiger Hardware (Spiele-Soundkarten) und nicht-Studio-Umgebung (PC-Lüfter im Aufnahmeraum etc.) die Eliminierung von Nebengeräuschen leider unumgänglich wird. Profis können in vom Proberaum abgetrennten Regieräumen mit DigiDesign-24-Bit-Wandlern auf solche mühselige Handarbeit verzichten, aber wir einfaches Fußvolk müssen uns eben anders behelfen ;-)
© 2006 Uwe R. Hoeppe