Trading Card Games
Trading Card Games (TCGs) oder "Sammelkartenspiele" stellen eine Kombination aus Sammelkarten (wie es sie - speziell in den USA - z.B. für Sport-Themen schon länger gibt) und Kartenspielen dar. Da auf dem deutschen Markt sammelbare Artikel nicht ganz so verbreitet sind, kann man hier zum Vergleich Briefmarken oder Überraschungseier heranziehen: Sammler dieser Artikel legen großen Wert darauf, eine möglichst vollständige Kollektion zusammenstellen zu können, wobei der Tausch- oder Kaufwert einzelner Stücke - je nach Seltenheit - bis zu mehrere hundert Mark erreichen kann.
Die im Falle von Trading Card Games vorgenommene Verbindung von Sammel- und Spielaspekten ist relativ neu und geht auf Richard Garfields Magic: the Gathering (1993)1 zurück. Dabei besteht das Spiel aus einer sehr viel größeren Anzahl von Einzelkarten als sie für normale Kartenspiele nötig sind. Während ein Skat-Deck aus 32 fest definierten Karten besteht, muss ein Magic-Deck (ca. 70 Karten) vom Spieler selbst aus den ihm verfügbaren Karten zusammengestellt werden. So umfasste die erste Edition von Magic noch 295 Karten2, während mittlerweile etwas über 6000 Einzelkarten3 für dieses Spiel existieren. Dabei werden diese Karten typischerweise in Verkaufseinheiten von ca. 60 Stück (sog. Starter Pack) und 10-15 Stück (sog. Booster Pack) abgegeben. Die Sortierung der Karten in diesen Packs ist zufällig zusammengestellt, so dass der Käufer nie weiß, welche einzelnen Karten sich in einem Paket befinden. Um innerhalb der Karten nochmals eine Binnendifferenzierung der Verfügbarkeit vorzunehmen, werden Karten nach verschiedenen Seltenheitsgraden gestaffelt: So gibt es typischerweise seltene (rare), ungewöhnliche (uncommon) und häufige (common) Karten. In einem Booster mit 15 Karten sind dann z.B. 1 rare, 3 uncommons und 11 commons. Der Spieler legt dann aus den gekauften Karten eine Sammlung an, aus der einzelne Karten zu einem spielbaren Deck kombiniert werden können. Da diese Spiele meist recht komplex in ihrer Spielmechanik sind, benötigt man verständlicherweise eine sehr große Sammlung, um beim Zusammenstellen eines Spieldecks keine Materialengpässe zu erleiden: So sind z.B. in Magic maximal vier Exemplare der gleichen Karte in einem Deck erlaubt, was für willkürlichen Deckbau erfordern würde, jede einzelne Karte viermal zu besitzen - also über 4 vollständige Sammlungen zu verfügen. Speziell bei seltenen Karten ist es natürlich schwer, einen vollen Satz von 4 Exemplaren zu bekommen, und die wenigsten Spieler verfügen über eine solche komplette Sammlung.
Die Implikationen dieses Prinzips sind offensichtlich: Abgesehen von dem Bestreben des Herstellers, möglichst viele Karten zu verkaufen, bildet sich hier eine Spielumgebung, in der das Beschaffen von Ressourcen zu einem wichtigen Bestandteil des Spiels wird: So handeln Spieler untereinander, um die Karten zusammen zu stellen, die sie für ihre Decks brauchen. Die Vielzahl möglicher Deckkonstruktionen erlaubt es, Karten abzugeben, die man selbst nicht braucht, um andere dafür zu erhalten. Die Knappheit der zu Verfügung stehenden Ressourcen bedingt dann die Privatmarkt-Preise der Karten: insbesondere seltene Karten mit hohem Spielwert erreichen so leicht Marktwerte von 10,- DM aufwärts - wenn sie nicht mehr gedruckt werden, sogar noch wesentlich mehr. Momentan (Sommer 1999) steht die teuerste Karte in Magic: the Gathering, der "Black Lotus" zwischen $325 und $400 (in Worten: vierhundert US-Dollar)4. An solchen Beispielen lässt sich aber auch relativieren, dass der Hersteller des Spiels mit der Neuauflage solcher Sammlerstücke ohne Schwierigkeiten seinen Absatz deutlich erhöhen könnte: Mit Rücksicht auf das Spielprinzip wird aber davon Abstand genommen, weil es den legendären Status solcher Karten zerstören und die Spielumgebung durcheinander bringen würde. In jedem Fall beinhaltet das Spiel aber mit der Ressourcenbeschaffung ein - für Kartenspiele - neuartiges Element5, welches die Hälfte des Spiels in die Deckvorbereitung verlegt: Im Gegensatz zu herkömmlichen Spielen fangen die Spieler ein "Duell" nicht mit den gleichen Voraussetzungen an, sondern jeder mit seinem eigenen Deck - in etwa so, wie Motorsportler auch ihre Maschine sorgfältig vorbereiten müssen, um im Rennen erfolgreich zu sein.
Bezeichnenderweise ist dieses Prinzip in den USA sogar patentiert worden, was für ein Spielkonzept sehr ungewöhnlich ist6. Damit liegt eine juristische Definition der Merkmale solcher Spiele vor, die alle Hersteller von anderen Trading Card Games zwingt, für ihr Produkt eine Lizenz vom Patentbesitzer7 zu erwerben. Da mit dem Erfolg von Magic: the Gathering aber eine ganze Reihe anderer Spiele8 das Trading Card Game-Prinzip aufgegriffen haben, als es noch nicht patentgeschützt war, ergaben sich damit 1998 Nachforderungen des Magic-Vertriebs Wizards of the Coast an andere Hersteller9.
Zu diesen Kartenspielen, die sich an Magic anlehnen, gehört auch das von Iron Crown Enterprises veröffentlichte "Middle-earth: The Wizards" (im Folgenden mit METW bezeichnet), das somit nicht nur die Trading Card Game-Lizenz, sondern auch die Tolkien-Lizenz benötigt. Dabei ist METW durch einige Parallelen in der Spielmechanik als MERP-Abkömmling zu bewerten, nicht zuletzt deshalb, weil es mit Fenlon und Charlton von den gleichen Autoren stammt. Dabei ist das genaue Nachspielen des LotR mit der Zerstörung des Rings am Mount Doom nur einer von mehreren Wegen, das Spiel zu gewinnen10. In Anbetracht der Seltenheit des Einen Rings ist dies auch notwendig: So hatte dieser 1998 als teuerste Karte des Spiels einen Marktwert von ca. $4011 und stand damit nicht allen Spielern zu Verfügung. Insgesamt war METW aber kein so dauerhafter Erfolg beschert wie Magic: Vor allem die Bindung an die Originalgeschichte macht dem Spielkonzept Schwierigkeiten und führt dazu, dass bei einigen Spielern schnell Langeweile aufkommt. Möglicherweise trug der Veröffentlichungszeitpunkt mitten in einer Tolkien-Flaute auf dem Spielemarkt (Ende der 90er Jahre) ebenfalls zu diesem nur mäßigen Erfolg bei.
1Kartefakt #13, p.16.
2InQuest #39, p.97.
3InQuest #39, pp.97-107.
4InQuest #51, p.108. Der "Black Lotus" wird seit 1993 nicht mehr gedruckt und gehört zu den gefragtesten Karten des Spiels überhaupt.
5Die eigentliche Idee ist erstaunlich alt: Man denke nur an das Spiel mit Glasmurmeln, bei dem die Spielmurmel auch gleichzeitig der Einsatz, das "ante", ist. Auch hier stehen die Qualität des Spiels und die Verfügbarkeit der Ressourcen in direkter wechselseitiger Beziehung.
6Huskies, Alexander: "Trading Card Game-Patent: erste Reaktionen, Gerüchte und Kommentare" in: Kartefakt #13, Dez.97/Jan.98, pp.16-18.
7in diesem Falle: Wizards of the Coast.
8z.B. Star Wars TCG, Legend of the Five Rings TCG, Middle-Earth: The Wizards TCG, Babylon 5 TCG, Battletech TCG, Netrunner TCG, Star Trek TCG, Doomtown TCG und X-Files TCG. vgl. dazu: "InQuest - The Gaming Magazine" und "Kartefakt - Das Trading Card Game Magazin"
9vgl. Kartefakt #13, pp.15.
10Charlton (1996), p.12.
11Im Sommer '98 stand Der Eine Ring bei $42 (Inquest #39, p.109.), auf dem deutschen Markt lag er Ende '97 bei 75,-DM (Kartefakt #13, p.81).