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Galadriel

Betrachtet man die bildlichen Dar­stellungen der Elbenkönigin, so ergibt sich eine merkwürdige Zweischneidigkeit: einige Illustratoren unterstreichen die völlige Abwesenheit von Sexualität im LotR und stellen Galadriel fast ohne weibliche Attribute dar (Abbildung 49), andere dagegen gestalten sie als Idealbild menschlicher Schönheit mit ausgeprägten weiblichen Formen (Abbildung 50). Diese Diskrepanz ist aber bereits in Tolkiens Text angelegt: Denn er beschreibt die Elves (und besonders natürlich ihre Könige und Königinnen) zwar stets als außerordentlich schön, aber die Aura, die seine Elben umgibt, weist auf eine ganz andere Form von Ästhetik hin, als sie für Menschen gilt. So beschreibt er Galadriel und Celeborn mit:

"Very tall they were, and the Lady no less than the Lord; and they were grave and beautiful [...] but no sign of age was upon them, unless it were the depths of their eyes [...], the wells of deep memory."1

Diese für Menschen schwer nachvollziehbare Verknüpfung von jugendlicher Schönheit einerseits und Weisheit des hohen Alters2 (in MERP: Level 903) andererseits führt bei Tolkien zu einem merkwürdig asexuellen Mischkonzept4. Ein solche schlecht visualisierbare Vorstellung führt notwendiger­weise zu widersprüchlichen Darstellungen, da nach menschlichem Ermessen jugendliche Schönheit und sexuelle Attraktivität nicht voneinander zu trennen sind. So strahlt Lees Galadriel (Abbildung 49) zwar eine gewisse spirituelle Unberührbarkeit aus, wird aber genau deshalb nicht als außerordentlich schön empfunden. McBrides Elbenkönigin (Abbildung 50) wirkt dagegen zwar sehr viel attraktiver, vermittelt aber dadurch eine Körperlichkeit, die eher menschlich als elvish anmutet. Gerade hier beweist sich, wie menschenähnlich Tolkien seine Elben beschrieben hat und wie wenig sie von der ätherischen Unnahbarkeit ihrer traditionellen Märchen-Verwandten haben.

In METW verschafft Galadriel dem Spieler einen Kartenvorteil5, was ihrer seherischen Begabung6 entspricht - eine Fähigkeit, die sie mit Elrond, Círdan und anderen teilt. Dabei ist sie eine seltene Karte, die aufgrund ihres hohen Spielwertes Marktwerte um die $10 erreichte7. Besonders verglichen mit Celeborn (der ihr laut Tolkien eigentlich ebenbürtig ist) verzerrt sich hier das Bild. Bei genauer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass auch im LotR Celeborn keine eigene Wichtigkeit besitzt außer dass er zu Galadriel gehört: Sie ist diejenige, die der Gemeinschaft des Rings wesentlich hilft (denn sie ist selbst Ringträgerin), und so geht sie folgerichtig auch ohne ihren Ehemann nach Valinor zurück. Was aus Celeborn wird, erfährt der Leser in diesem Zusammenhang nicht. So wird die Elbenkönigin auch an anderer Stelle mit "Galadriel was more far-sighted in this than Celeborn"8 gegenüber ihrem Mann aufgewertet. Alles in Allem ist Celeborn genau wie Goldberry kein eigenständiger Charakter, sondern dient nur der Aufwertung seiner Partnerin. Insofern ist es nicht unangemessen, dass er in METW nur eine ungewöhnliche, aber keine seltene Karte ist wie Galadriel. Und genau wie bei Tolkien nützt er dem Spieler vor allem im Zusammenhang mit ihr9, alleine ist er lediglich ein durchschnittlicher Charakter.

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1LotR I, p.460.

2Galadriel wurde noch vor dem Exodus der Noldor in Valinor geboren (Silmarillion, p.71.) und ist damit am Ende des 3. Zeitalters über 6500 [sic] Jahre alt. (LotR III Anhänge: 2.Zeitalter - 3441 Jahre, 3.Zeitalter - 3019 Jahre)

3Fenlon (1986), p.77.

4Dass diese Verbindung aber nicht grundsätzlich unmöglich ist, zeigt z.B. die Figur der Jadzia Dax in der SF-TV-Serie "Star Strek - Deep Space Nine" [Berman (1993-1999)], weil hier der Aspekt der Sexualität nicht ausgeklammert wird.

5Kartentext (Auszug): "When Galadriel is at Lorien, her controlling player may keep one more card than normal in his hand."

6vgl. LotR I, pp.458: "The Mirror of Galadriel".

7InQuest #39, Juli'98, p.109, Kartefakt #13, Jan'98, p.80.

8Tales, p.303.

9Charlton (1996), p.86.

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